Die WM trägt Gelb – Schwarzgelb trägt sie nicht!

Zugegeben, der optische Eindruck schmeichelt dem Auge des Dortmunder Betrachters. Gelb. Viel Gelb. Lauter gelbe Wände in den Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft. Gelb – das ist Brasilien. Auch Kolumbien, Ecuador, Ghana und Kamerun bringen oder brachten jede Menge Gelb ins Spiel. Doch so schön der Eindruck ist: Er täuscht. Es fehlt das Schwarz. Schwarzgelb ist keine Farbe der WM 2014. Will sagen: Am BVB geht dieses Turnier bislang weitgehend vorbei. Die Profis von Borussia Dortmund, aktuelle, ehemalige und künftige, spielen – Ausnahmen: Mats Hummels und Papa Sokratis – nur Nebenrollen. Anders als die des FC Bayern München: Thomas Müller (4 Tore) und Arjen Robben (3) drücken der WM ihren Stempel auf; auch Xherdan Shaqiri (3), Mario Mandzukic (2) und Mario Götze (1) trafen bereits ins Schwarze; Manuel Neuer, Philipp Lahm, Jerome Boateng sind Stammspieler in der DFB-Elf, Götze und Bastian Schweinsteiger gehören zum engen Kreis. Der FC Bayern ist in Brasilien omnipräsent – der BVB schaut zu.

Ein wenig hatte sich diese Entwicklung ja schon angedeutet, als Ilkay Gündogan aufgrund seiner Rückenprobleme die komplette Saison verpasste. Als Bundestrainer Joachim Löw den ebenfalls durch Verletzungen zurückgeworfenen Marcel Schmelzer aus dem Kader strich. Als im letzten Test gegen Armenien auch noch der für Brasilien gesetzte „Spieler der Saison“, Marco Reus, umknickte und sich am Sprunggelenk verletzte. Seine Dynamik, seine Torgefahr und seine Klasse bei Standards fehlen der deutschen Mannschaft an allen Ecken und Enden. Die Einschätzung, Löw habe auf der linken Seite mehr Alternativen als auf jeder anderen Position, erweist sich bislang als Trugschluss. Ohne Reus lahmt das Spiel links erheblich.

Als einzige schwarzgelbe Stammkraft im Nationaltrikot blieb Mats Hummels. Der Innenverteidiger hat eine exzellente Vorrunde gespielt und ist – nachdem seine ersten Gehversuche in der DFB-Auswahl nicht immer glücklich waren – inzwischen neben Per Mertesacker etabliert. Den Dreikampf um die zwei Plätze in der Abwehrzentrale hat Jerome Boateng verloren. Der Münchner muss nach rechts ausweichen. Solange Löw sich weigert, Philipp Lahm auf seiner Schokoladenposition einzusetzen, hat Boateng den Platz dort wohl sicher. Dabei hatte der Bundestrainer als Alternative für diese Seite eigentlich den Dortmunder Kevin Großkreutz mitgenommen. Doch als er im Eröffnungsspiel gegen Portugal wegen Hummels‘ Oberschenkelblessur wechseln und umstellen müsste, brachte Löw nicht etwa KG19, sondern Shkodran Mustafi. Einen gelernten Innenverteidiger. Und auf der linken Abwehrseite zog im letzten Test der Schalker Benedikt Höwedes, ein gelernter Innenverteidiger, am Dortmunder Shooting-Star Erik Durm vorbei. Vier Innenverteidiger in der Vierer-Abwehrkette: Was als „Das Löw-Experiment“ in die Taktik-Geschichte eingehen wird, birgt gegen quirlige Offensivspieler erhebliche Gefahren, weil Boateng und Höwedes eher hölzern und antrittslahm daher kommen. Und es lähmt das deutsche Offensivspiel, weil Boateng/Höwedes als gelernte Verhinderer (logischerweise) wenig Alarm nach vorne veranstalten. Auch deshalb kommen die offensiven Flügelspieler noch nicht wie gewohnt zum Zuge. Ein Hinterlaufen oder Durchstoßen bis zur gegnerischen Grundlinie findet kaum statt. Durm und Großkreutz könnten das, weil sie es aus dem Klub kennen. Im System Löw jedoch ist es zurzeit nicht gewünscht.
Die Folge: Erik Durm muss auf eine Gelbsperre von Höwedes hoffen. Für Kevin Großkreutz ist ein WM-Einsatz derweil so wenig wahrscheinlich wie für Roman Weidenfeller. Letzterem war seine Rolle als Nr. 2 hinter Manuel Neuer klar. Er geht souverän damit um und genießt das Abenteuer Brasilien als Aktivurlaub. Bei KG19 wurde spätestens in dem Moment, als sich Löw für Mustafi entschied, deutlich, dass er dem BVB-Allrounder nicht vertraut. Großkreutz ist WM-Tourist wie es bei früheren Turnieren die Dortmunder Frank Mill und Lars Ricken waren.
Ein ähnliches Schicksal teilte in Brasilien Mitch Langerak. Die Nr. 2 im Tor der Borussia ist auch im Tor Australiens Ersatzmann hinter Maty Ryan. Bei der WM kam er nicht einmal im dritten Gruppenspiel gegen Spanien zum Einsatz – obwohl das Ausscheiden der „Socceroos“ vorher feststand. Ein unfreundlicher wie unverständlicher Akt seines Trainers.
Bei Japan bestritt der Ex-Dortmunder Shinji Kagawa zwar 204 der 270 Vorrundenminuten, flog aber zwischenzeitlich aus der Startelf und schied mit dem insgesamt enttäuschenden Team sang- und klanglos aus. Zweifelsfrei steht Kagawa mit Mitte 20 an einem Knackpunkt seiner Karriere, nachdem er sich bei Manchester United nicht hat durchsetzen können und nun mit Luis van Gaal einen Trainer bekommt, von dem nicht anzunehmen ist, dass er bei seinem Neuaufbau auf den Japaner zählen wird.
Ein anderer Ex-Borusse, Ivan Perisic, stand für Kroatien zwar 258 Minuten auf dem Platz, erzielte zwei Tore und war ein ständiger Gefahrenherd. Doch auch er ist inzwischen längst im Urlaub. Kroatien versagte im entscheidenden Gruppenspiel gegen Mexiko und schied aus.
Wer geglaubt hat, sich bei der WM einen Eindruck über die Leistungsstärke der beiden BVB-Sturmzugänge Ciro Immobile und Adrian Ramos verschaffen zu können, wurde ebenfalls enttäuscht. Italiens Torschützenkönig verlor, trotz dreier Tore im letzten Test vor der WM, den internen Konkurrenzkampf gegen Mario Balotelli. Beim 2:1-Auftaktsieg gegen England kam Immobile erst 17 Minuten vor Schluss, als die Squadra Azurra längst nur noch verteidigte. Beim 0:1 gegen Costa Rica wechselte Trainer Cesare Prandelli nicht etwa Immobile ein, sondern Cassano, Insigne und Cerci. Erst im entscheidenden Gruppenspiel gegen Uruguay durfte der Neu-Dortmunder von Anfang an ran – neben Balotelli. Schnell wurde deutlich: Dieses Duo harmoniert überhaupt nicht. Immobile blieb blass. Balotelli fiel wenigstens durch eine gelbe Karte und zur Schau getragene Lustlosigkeit auf.
Adrian Ramos, sein künftiger Sturmpartner/-konkurrent beim BVB, schmorte während der ersten beiden Gruppenspiele Kolumbiens ebenfalls auf der Bank. Erst als der Achtelfinaleinzug perfekt war, durfte der Ex-Herthaner im dritten Spiel ran – und überzeugte! Beim 4:1 gegen Japan holte er einen Strafstoß heraus und bereitete einen Treffer vor. Nicht auszuschließen, dass er zu Saisonbeginn beim BVB die Nase vorn haben wird, weil er ein Pressing-Stürmer ist, während Immobile das Klopp-System erst lernen und verinnerlichen muss. Im Achtelfinale gegen Uruguay allerdings wird Ramos‘ Platz voraussichtlich wieder auf der Bank sein.
Bleibt aus Dortmunder Sicht nur noch einer: der Papa. Papa Sokratis hat mit Griechenland nicht nur erstens auf den letzten Drücker und zweitens überraschend erstmals eine WM-Vorrunde überstanden. Er stand dabei auch die vollen 270 Minuten auf dem Platz, hielt die Abwehr zusammen und ist einer der wenigen Griechen, die internationale Klasse repräsentieren. Dabei macht Sokratis seinen Job so, wie man das aus Dortmund kennt: seriös, unspektakulär – aber effektiv. Gegen das Überraschungsteam aus Costa Rica hat Griechenland nun sogar die Chance aufs Viertelfinale.
Bleiben also vor Beginn der dritten WM-Woche zwei schwarzgelbe Hoffnungen: „Mats macht’s!“ & „Der Papa wird’s schon richten!“

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